Das ist es!

 



B)      Der spirituelle Weg des Autors


Das ist es!

 

Es ist Frühjahr 1979, ich stehe vor dem Gebäude mit den Räumlichkeiten der Jugend- und Erziehungsberatung der Stadt Bern. Mit ein paar grossen Bier und einigen Schmerzmitteln habe ich mir Mut gemacht, um den Termin wahrzunehmen welchen ich dank einem lichten Moment der Einsicht in meine Notlage und Hilfsbedürftigkeit einen Tag zuvor telefonisch abgemacht hatte.

Hoffnung auf echte Hilfe hege ich allerdings keine. Mein Vertrauen in die Gesellschaft und deren Institutionen ist gleich null, meine innere Haltung: Ich lebe hier und jetzt, morgen gibt’s eh den grossen Knall und nichts ist mehr.

Meine Freundin ist schwanger, ich möchte eine Familie gründen und glücklich leben. Ein unmögliches Unterfangen in dieser Welt, wie ich meine. Zumal da wir beide dem Alkohol- und Drogenkonsum frönen und ein echter Sinn dieser Existenz uns nicht erkennbar ist. Sie kämpft sich immerhin noch durch ihre Ausbildung (die sie schliesslich aber aufgrund der Mutterschaft abbrechen wird), ich bin bereits seit einem Jahr arbeitslos und lebe auf der Strasse und wo auch immer es eben gerade möglich ist. Man hilft sich aus: Wer ein Zimmer oder eine Wohnung hat, bietet auch diesem Freund oder jener Kollegin Unterschlupf und Essen, Drogen und gelegentlich sogar Bargeld an. Hanspeter, Reto, Adrian, Jörg, Christian und andere lassen mich immer wieder bei sich übernachten. Ihre Freundinnen sind darüber manchmal weniger erfreut…

Auf dem Weg hierher habe ich mir die Fragen im Geist zurechtgelegt, die ich dem Psychologen oder wer auch immer mich da anhören wird, stellen will. Ich trete also ein und werde sogleich zu einem Büro verwiesen, wo ich an die Türe klopfe und auf das deutlich vernehmbare „herein“ eintrete. Ich traue meinen Augen kaum. Entgegen meiner Erwartung eines geschniegelten, Anzug und Krawatte tragenden braven Bürgers sitzt dort hinter dem Schreibtisch eine Gestalt, die eher an einen indischen Yogi oder Swami als an einen schweizerischen Akademiker erinnert. Ein Typ, ein Freak mit langem schwarzem Haar und ebenso langem schwarzen Bart sitzt mir da gegenüber.

Mein Geist ist wie leergefegt. Ich suche die Fragen, die noch draussen vor der Türe so präsent gewesen waren. Nichts mehr da. Nichts mehr da, nur ein rastlos suchendes Fragezeichen wandert durch mein Inneres und ich schweige. Auch er schweigt. So sitzen wir, wie mir scheint eine geraume Weile, schweigend und einander betrachtend da. Schliesslich beginnt er zu sprechen und das irrende Fragezeichen erhält Antwort um Antwort während der Geist immer leichter und klarer wird, ohne dass er zu erkennen und zu benennen vermöchte, was hier eigentlich abgeht. Beim Abschied drückt mir der Mensch eine kleine Broschüre in die Hand, deren Titel lautet: „Buddhismus, ein Weg der Geistesschulung“.[1]

Als ich wieder draussen vor dem Gebäude stehe, das kleine Büchlein in der Hand, ist mein Geist erfüllt von einem lauten „JA“ und einem ruhig im Zentrum stehenden Ausrufe- anstelle des herumirrenden Fragezeichens. Das Büchlein lese ich noch am selben Tag in einem Zug durch und ich weiss: Das ist es!


Lied:
DU BIST DER VOLLENDETE



[1] Leonard A. Bullen: „Buddhism - a Method of Mind-Training“ (Buddhist Publication Society 1969) – deutsch: „Buddhismus, ein Weg der Geistesschulung“ Beyerlein & Steinschulte (2000)

[2] Mirko Frýba: „Anleitung zum Glücklichsein“ (Bauer 1987)