Die Gefühle

 




Zum (Mundart-) Lied 
(CD "Uelis Schrot" 2007)

Die Gefühle


Satipatthana unterscheidet zwischen emotionalen Geistes-zuständen und Gefühl. Als Gefühl gilt lediglich das körperliche und/oder psychische Empfinden von Wohl oder Weh und weder Wohl noch Weh. Jeder Zustand des Körpers und jeder Zustand des Geistes ist mit einem Gefühl verbunden, eben entweder mit einem angenehmen, einem unangenehmen oder einem neutralen Gefühl. Die Gefühlsbetrachtung führt zum Erkennen des mit jedem konkreten körperlichen und/oder psychischen Erleben verbundenen Gefühls. Dazu schreibt Nyanaponika: 

Eine Überbetonung des Gefühlsaspektes innerer und äußerer Vorgänge ist bezeichnend für den emotionellen Menschentyp. Das Lust- und Unlust-Element einer Situation wird von ihm überschätzt und übertrieben, und dies führt ihn häufig zu extrem optimistischen oder pessimistischen Reaktionen, zu Überenthusiasmus oder Depression, zu illusorischen Hoffnungen oder grundloser Verzweiflung. Doch auch bei Durchschnittstemperamenten neigt das Gefühl zum Überschwang. Nicht selten hört man sagen: ‚Dies ist mein einziges Glück!’ oder ‚Dies wäre mein Tod!’ Doch die stille Stimme der Gefühlsbetrachtung spricht: ‚Es ist ein Freudegefühl wie viele andere auch - sonst nichts! Es ist ein Schmerzgefühl, wie viele andere auch - sonst nichts!’ Eine solche Fähigkeit, von den eigenen Gefühlen inneren Abstand zu gewinnen, ist inmitten der Wechselfälle des Lebens gewiss von größter Wichtigkeit. Doch wenn auch der ruhige Blick der Achtsamkeit den Gefühlen ihr Ungestüm nimmt, so beeinträchtigt er damit nicht ihre menschliche Wärme.[1]

Es gibt Meditationslehrer, die vor allem die Meditation auf Körper und Gefühl lehren. Auch Mirko Fryba betont den Wert der Einübung in die Gefühlsbetrachtung:

Es kann sein, dass starke geistige Gefühle einen Verlust der körperlichen Verankerung bewirken und gleichzeitig auch starke physiologische Begleiterscheinungen hervorrufen… wenn es den Betroffenen nicht gelingt, sich mittels einer Heilmethode (Therapie, Meditation, emanzipatorische Geistesschulung) davon zu befreien und zu einem gesunden Gefühlsleben zu kommen. Methodisch geschulte und entfaltete Achtsamkeit ermöglicht uns, durch wirklichkeitsgemässen Wandel und durch weise innere Haushaltung die Gefühle im Fluss zu halten. Dies bedeutet, dass Wohlgefühle als Wegweiser und Schmerzen als Warnsignale beachtet und als Hinweise für Korrekturen berücksichtigt werden, bevor leid-bringende Erstarrungen im Körper oder im Geist entstehen. Der Strom der frei fliessenden Gefühle wirkt belebend…

Wenn Sie also sowohl in Ihr geistiges als auch in Ihr körperliches Ökosystem harmonisch eingebettet sind, werden Ihre Entfaltungsmöglichkeiten durch das fein pulsierende Gefühl der Wonne belebt. Wenn das nicht der Fall ist, Sie aber weiterhin gelassen und achtsam Ihre Schmerzgefühle erleben, dann werden Ihre Entlastungsfertigkeiten gesammelt und erweckt. Die auf Körperprozesse und Gefühle gerichtete Achtsamkeit, aus welcher Ergriffenheit und Freude entstehen, ist das Mittel, wodurch die Intelligenz des Körpers zur Geltung kommt.[2] 

Ergriffenheit und Freude sind zwei wesentliche Faktoren der Geistesentfaltung und Herzenskultur. Sie sind Aspekte sowohl des gesammelten, geeinten, befriedeten Herzens, als auch des erwachten, frei gewordenen Geistes. Ohne ihre belebende und gleichzeitig Geist und Herz stillende Kraft können weder Herzenseinigung noch Einsicht in die Gesetzmässigkeit des Seins zustande kommen. Aber auch Ergriffenheit und Freude werden in der Gefühlsbetrachtung zurückgeführt auf das mit ihnen verbundene einfache, stille und sanfte Wohlgefühl.



[1] Nyanaponika, „Geistestraining durch Achtsamkeit“ (Beyerlein & Steinschulte 1993)

[2] Mirko Frýba: Anleitung zum Glücklichsein“ (Bauer 1987)