Die Geisteszustände

 




Zum (Mundart-) Lied
UF MIRE LÄBERE HOCKET E LUS 
(CD "Uelis Schrot" 2007)


Die Emotionen oder Herzens- oder Geisteszustände


Wo dein Schatz ist, da wird auch dein Herz sein.
Wes das Herz voll ist, des geht der Mund über.[1]

Auf alles körperliche und geistige Erleben reagiert der Mensch meist zuallererst emotional. Sowohl ein körperlich in der Gegenwart stattfindendes als auch ein rein gedankliches Erleben lösen in uns Zuneigung und Abneigung, Angst, Trauer, Furcht, Freude, Liebe, Hass usw. aus. Alle diese Emotionen als das was sie sind kennen und erkennen zu lernen ist ein wichtiger Aspekt des Satipatthana-Trainings. Nyanaponika schreibt dazu:

Meist vermeidet es der Mensch ängstlich, sich über seine Charakterschwächen und sonstigen Unzu-länglichkeiten Rechenschaft abzulegen, um nicht dadurch sein Selbstgefühl zu beeinträchtigen. Treten sie aber unverkennbar in ihm auf, so geht sein Bewusstsein so schnell wie nur möglich darüber hinweg. Damit nimmt er sich sowohl die Möglichkeit, dem Widerauftreten und Erstarken jener schlechten Eigenschaften vorzubeugen, wie auch den Antrieb, die ihm mangelnden guten Eigenschaften zu erwerben. Auf der anderen Seite schenkt der Mensch auch dem in ihm aufsteigenden Guten (abgesehen von eitlem Selbstlob) meist nicht diejenige Beachtung, welche geeignet ist, die auch im Guten liegende Tendenz zur Wiederholung und Stärkung zu fördern. Diese beiden Unterlassungen werden durch die Geist-Betrachtung ausgeglichen. Das einfache Reine Beobachten des eigenen Geisteszustandes führt somit, wenn regel-mäßig geübt, nicht nur zur Selbst- Erkenntnis, sondern auch zur Selbst-Veredlung. Der regelmäßige Anblick des unbeschönigten Schlechten und Schwachen in der eigenen Natur wird zu tiefer Beschämung führen und eine eindringliche Mahnung sein; das Bewusstsein vom vorhandenen Guten und Starken jedoch wird ein Ansporn sein zu dessen Mehrung und wird der Übung freudige Zuversicht verleihen.[2]

Es hilft uns nichts, wenn wir uns unsere negativen Emotionen nicht eingestehen, wenn wir sie verleugnen und so tun, als hätten wir sie gar nicht. Eine solche Verdrängungstaktik wird sie niemals in ihrer wahren Natur erkennen und dadurch schliesslich überwinden können. Es hilft ebenso wenig, sie einfach auszuleben, ihnen freien Lauf zu lassen, in der Annahme, alles andere sei bereits Verdrängung. Einen Ausweg bietet hier wiederum die Achtsamkeit als reines Beobachten. Die Emotionen werden nicht ignoriert, es wird ihnen aber auch nicht ungeprüft nachgegeben. Sie werden als das was sie sind erkannt und benannt. Die unheilsamen als unheilsam, die heilsamen als heilsam. Emotional zu sein ist keineswegs an sich unheilsam, es gibt im Gegenteil eine grosse Vielfalt an heilsamen Emotionen, wovon vier im buddhistischen Verständnis sogar als göttliche Emotionen gelten, nämlich Liebe, Erbarmen, Mitfreude und Gleichmut.[3] Die Bibel sagt uns:

Niemand hat Gott je gesehen; wenn wir einander lieben, so bleibt Gott in uns, und seine Liebe ist in uns vollkommen geworden.[4]

Selig sind die Barmherzigen; denn sie werden Barmherzigkeit erlangen![5]
 

Die Frucht des Geistes aber ist Liebe, Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Gütigkeit, Treue, Sanftmut, Enthaltsamkeit.[6]

Alle diese sind heilsame Geisteszustände, heilsame Emotionen, und wenn wir sie in uns selber antreffen, dann dürfen wir sie auch erkennen und uns darin üben, sie zu entfalten und zu erhalten.

Eine Gefahr bei den Emotionen besteht darin, dass wir uns von ihnen mitreissen lassen, so dass eintrifft, was der Volksmund als ‚himmelhoch jauchzend – zu Tode betrübt’ kennt. In diesem Fall werden die emotionalen Zustände des Geistes total überbewertet. Sie sind dann in der Wahrnehmung des Betroffenen nicht mehr einfache entstehende und auch wieder vergehende Geisteszustände, sondern werden quasi als bleibende Himmel (z.B. manisch-euphorisches Erleben) oder Höllen (z.B. depressives und paranoides Erleben) erlebt. Ein hilfreiches Mittel zur Beruhigung der Geisteszustände ist die Betrachtung der mit ihnen verbundenen Gefühle. Wenn wir unsere emotionalen Zustände auf deren einfache Gefühlsqualitäten zurückzu-führen vermögen, dann sind wir unseren Emotionen nicht mehr sklavisch ausgeliefert.



[1] Bibel, Mt 6,21; Mt 12,34

[2] Nyanaponika, „Geistestraining durch Achtsamkeit“ (Beyerlein & Steinschulte 1993)

[3] Palikanon, Anguttara Nikaya, Karajakaya Sutta

[4] Bibel, 1.Joh 4,12

[5] Bibel, Mt 5,7

[6] Bibel, Gal 5,22