Die Weggemeinschaft

 




(CD "Uelis Schrot" 2007)


Freundschaft oder die Weggemeinschaft


Ist es möglich, soviel an euch liegt, so habt mit allen Menschen Frieden.[1]

Die wirkliche Weggemeinschaft ist die Gemeinschaft des Lebens – allen Lebens – in dieser Existenz. Wir sitzen tatsächlich alle im selben Boot, im Boot der Existenz, und was immer irgendein Einzelner tut, es hat Auswirkungen auf die Befindlichkeit aller im Boot Sitzenden. Im Buddhismus spricht man von Edler Freundschaft und von der Notwendigkeit unseren Mitmenschen ein Edler Freund zu sein:

Die Edle Freundschaft hat zum Ziel, dem Lernenden einen unterstützenden und von Bedrohung freien zwischenmenschlichen Raum zu gewähren, in dem Selbsterforschung und Geistesschulung möglich sind. So prägen wir sachte zunehmend echte zwischen-menschliche Beziehungen, die frei von Kampf, Gehorsam und blindem Glauben sind und viel mehr auf gegenseitigem Respekt, Vertrauen und Edler Freundschaft basieren. Der Edle Freund leistet seinem Weg-Gefährten dadurch Beistand, dass er dessen Bedürfnisse und Neigungen achtsam respektiert, ihm sein Können und seine Lebenserfahrung zur Verfügung stellt und ihm persönliche Rückmeldungen anbietet.[2]

Wir alle sind in konkreten Beziehungen entweder Lernende oder Lehrende oder auch je nach Situation und Erlebensbereich mal dieses und mal jenes. Freundschaft ist ein überaus wertvolles Geschenk auf dem Weg des Lebens. Der 1994 verstorbene deutschstämmige buddhistische Mönch Nyanaponika schildert uns dies eindrücklich:

Wie eine Schlange bei ihrem Bemühen, ihre alte Haut abzuwerfen, als Stütze einen Stein oder eine Baumwurzel benutzt, ebenso - sagen die alten Lehrer - sollte der strebende Nachfolger bei seinem Mühen um völlige Befreiung vollen Gebrauch von der Unterstützung durch edle Freundschaft machen. Eines Freundes wachsame Anteilnahme, sein weiser Rat und sein anregendes Beispiel mag bedeutsame Hilfe sein in dem schweren Unterfangen, sich zu lösen von dieser lästigen Hölle der Leidenschaften, Schwächen und hartnäckigen Gewöhnungen, die der Mensch mit sich schleppt. Oft und nachdrücklich hat der Buddha den Wert edler Freundschaften gepriesen. Einmal, als der ehrwürdige Anando, der dem Meister so sehr ergeben war, von der edlen Freundschaft als der 'Hälfte des heiligen Lebens' sprach, in dem Glauben, er habe damit ihren Wert angemessen gepriesen, antwortete der Erwachte: 'Sage das nicht, Anando, sage das nicht, es ist das ganze heilige Leben, edle Freunde zu haben, edle Genossen, edle Gefährten.'[3]

Als Freund den Weg des Friedens gehen zu unser aller Freiheit: Dies ist der Sinn des Menschseins. Wie nun bin ich aller Lebewesen Freund? Jesus sagte und lebte es auch vor:

Wenn ihr den Menschen ihre Fehler vergebet, so wird euer himmlischer Vater euch auch vergeben. Wenn ihr aber den Menschen ihre Fehler nicht vergebet, so wird euch euer Vater eure Fehler auch nicht vergeben.[4]

Wir sind unserem Nächsten Freund, wenn wir ihm seine Fehler vergeben, statt ihn für sie zu verurteilen. Säe Vergebung und Versöhnung, so wirst du Vergebung und Versöhnung ernten. Dasselbe gilt in Bezug auf alle guten und göttlichen Eigenschaften, die der Mensch aufgerufen ist sich anzueignen. So auch für die Liebe:

Wenn jemand sagt: Ich liebe Gott, - und seinen Bruder doch hasst, so ist er ein Lügner; denn wer seinen Bruder nicht liebt, den er sieht, der kann Gott nicht lieben, den er nicht sieht![5]

Auf der Ebene des sozialen Miteinanders ist es unerlässlich, dass wir bestimmte Spielregeln einhalten, das heisst, dass wir grundlegende Regeln des ethischen Verhaltens beachten und respektieren. Solche Regeln sind beispielsweise die Regeln, nicht zu töten, unseren Mitmenschen nicht zu bestehlen, nicht zu lügen, nicht aus unserer eigenen Ehe aus- oder in die Ehe anderer einzubrechen usw. Wer solche Dinge tut, kann sich schwerlich als des andern Freund bezeichnen.

Der bereits zitierte buddhistische Mönch Nyanaponika schreibt zur Frage der Ethik und der Liebe:

Sittlichkeit, welche die Beziehungen des Einzelnen zum Mitmenschen regelt, kann wohl durch Gebote, Regeln und Gesetze gestützt und geschützt und durch die Vernunft begründet werden, doch ihre einzig sicheren Wurzeln liegen in einer wahren Kultur des Herzens. Diese findet in der Buddha-Lehre den denkbar vollkommensten Ausdruck in den vier ‚Erhabenen Weilungen’, oder ‚Göttergleichen Zuständen’, nämlich: Liebe, Mitleid, Mitfreude und Gleichmut. Darüber gibt die buddhistische Literatur genügende Auskunft. Nur dieses sei noch hierzu bemerkt: Es ist ein tiefes Wohlwollen für alles Lebendige oder (in Nyanatilokas schöner Prägung) die All-Güte, welche die Grundlage für die anderen drei Eigenschaften bildet, ebenso wie für jedes Veredlungsstreben. Der Jünger der hier gelehrten Achtsamkeits-Schulung wird daher seine Achtsamkeit zunächst darauf zu lenken haben, dass sein Denken, Sprechen und Handeln nie der uneingeschränkten Güte ermangelt. In diesem Sinne heisst es in dem klassischen buddhistischen Text, dem ‚Lied von der Güte’: 

Voll Güte zu der ganzen Welt
Entfalte ohne Schranken man den Geist:
Nach oben hin, nach unten, quer inmitten,
Von Herzens-Enge, Hass und Feindschaft frei!
Ob stehend, gehend, sitzend oder liegend,
Wie immer man von Schlaffheit frei,
Auf diese Achtsamkeit soll man sich gründen,
Als göttlich’ Weilen gilt dies schon hienieden.

Ferner sagte der Buddha:

Mich selbst werde ich schützen, so sind die Grundlagen der Achtsamkeit zu üben. Den Anderen werde ich schützen, so sind die Grundlagen der Achtsamkeit zu üben. Sich selbst schützend, schützt man den Anderen; den Anderen schützend, schützt man sich selbst. Und wie schützt man, indem man sich selber schützt, den Anderen? Durch regelmässige Übung, durch Geistes-Entfaltung, durch ihre häufige Betätigung. Und wie schützt man sich selber, indem man den anderen schützt? Durch Geduld, Gewalt-losigkeit, Güte und Mitleid.[6]

In der Bibel sprechen der Evangelist Johannes und der Apostel Paulus Klartext zu dieser Frage:

Geliebte, lasset uns einander lieben! Denn die Liebe ist aus Gott, und wer liebt, der ist aus Gott geboren und kennt Gott. Wer nicht liebt, kennt Gott nicht; denn Gott ist Liebe.[7]

Die Liebe tut dem Nächsten nichts Böses; so ist nun die Liebe des Gesetzes Erfüllung.[8]



[1] Bibel, Röm 12,18

[2] Nach Mirko Frýba: „Anleitung zum Glücklichsein“ (Bauer 1987)

[3] Nyanaponika: „Im Lichte des Dhamma“ (Beyerlein & Steinschulte 1989)

[4] Bibel, Mt 6,14-15

[5] Bibel, 1.Joh 4,20

[6] Nyanaponika: „Geistestraining durch Achtsamkeit (Beyerlein & Steinschulte 1993)

[7] Bibel, 1.Joh 4,7-8

[8] Bibel, Röm 13,10